Carbon Credit: eine interessante Anlageklasse

Wenn wir über Carbon Credits sprechen, entsteht immer eine unerklärliche Verwirrung. Ein Carbon (oder Climate) Credit ist eine Genehmigung zur Umweltverschmutzung (bis zu einem bestimmten Limit), die eine staatliche Behörde jährlich an große, stark umweltverschmutzende Unternehmen (wie Metallproduzenten, Fluggesellschaften, Chemieanlagen usw.) vergibt.

Und hier hat Europa mit seiner ausgeprägten Neigung zur Regulierung einmal einen positiven Beitrag geleistet, indem es den weltweit größten Markt für Carbon Credits geschaffen hat (EU Emissions Trading System – EU ETS). Laut Sparkchange handelt es sich um einen Markt, der täglich durchschnittlich 2 Milliarden Euro umsetzt, mehr als 13.000 umweltverschmutzende Unternehmen betrifft (die für etwa 40 % der Treibhausgasemissionen in Europa verantwortlich sind) und etwa 1,2 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen abdeckt.

Doch wie funktioniert das System? Seit 2005 ist jedes europäische Land verpflichtet, jedes Jahr eine bestimmte Anzahl von Zertifikaten (European Allowance – EUA) auszugeben, die in einem speziellen Register jedes Mitgliedstaates erfasst werden. Jedes Zertifikat ist im Grunde ein Recht auf Umweltverschmutzung, d. h. auf die Freisetzung einer Tonne CO2 (oder eines äquivalenten Treibhausgases) in die Atmosphäre aufgrund des Produktionsprozesses. Diese Zertifikate werden entweder kostenlos an einige Unternehmen vergeben oder bei Auktionen erworben, die an spezialisierten Börsen wie EEX oder ICE stattfinden. Jede ausgestoßene Tonne CO2 führt zur „Vernichtung“ eines Zertifikats, das sich im Besitz des umweltverschmutzenden Unternehmens befindet (es wird aus dem Register gelöscht). Die verbleibenden Zertifikate können im folgenden Jahr genutzt oder verkauft werden (neben den Börsen gibt es auch Bankkanäle für den Handel mit diesen Zertifikaten). Ist das Zertifikatsbudget erschöpft, führt jede zusätzliche Emission zu einer Geldstrafe von 100 € pro überschüssiger Tonne und zum Verlust der entsprechenden Anzahl an EUA im folgenden Jahr. Dieses System nennt sich „Cap-and-Trade“ und hat das Ziel, die EUA-Emissionen jedes Jahr (Cap) zu reduzieren, um zwei Hauptziele zu erreichen: eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 55 % bis 2030 und Netto-Null-Emissionen bis 2050.

Aus unserer Sicht ist der Handel mit diesen Titeln besonders interessant, da er zu sehr volatilen Preisen führt.

Die fast perfekte Übereinstimmung zwischen den Primär- und Sekundärmarktpreisen zeigt das Fehlen von Arbitragemöglichkeiten und ist ein Zeichen für einen effizienten Markt.

Die Einstufung dieser Instrumente in eine standardisierte Anlageklasse ist schwierig. Sie als Rohstoff zu betrachten, erscheint unangebracht: Umweltverschmutzung scheint kein würdiger Rohstoff zu sein. Es handelt sich zweifellos um eine neue Anlageklasse, deren Preise von makroökonomischen Faktoren (wie Produktionsniveau, einschließlich erneuerbarer Energien), klimatischen Bedingungen (wie Temperatur) oder unvorhersehbaren Ereignissen (wie Kriegen oder Pandemien) abhängen.

Dieses System ist ein „obligatorischer“ Markt, der mit „freiwilligen“ Märkten verbunden ist, die unterschiedliche Instrumente beinhalten (auf die wir in einem späteren Beitrag eingehen werden) und spezifische Risiken bergen. Die gute Nachricht ist jedoch, dass es sowohl aktive als auch passive Produkte auf EUA sowie Derivate (Futures und Optionen) gibt, die es ermöglichen, Long-Positionen in Zertifikaten abzusichern.

Disclaimer: Dieser Artikel gibt die persönliche Meinung der Autoren von Custodia Wealth Management wieder. Er stellt keine Anlageberatung oder Empfehlung dar und sollte nicht als Aufforderung zum Handel mit Finanzinstrumenten betrachtet werden.